Mittwoch, 19. März 2008

Welch' ein Frevel...

Ich kann nicht behaupten, ich wäre nicht gewarnt gewesen. Was habe ich da zu hören bekommen. Als ich das erste Mal erwähnte, ich wolle mein Brautkleid nach der Hochzeit verkaufen.

Waaas? Die Erinnerungen weggeben... So ein Frevel... Das muss man immer aufbewahren...auf dem Dachboden... damit später die eigene Tochter oder Schwiegertochter darin...och man macht sich ein Kunstwerk fürs Schlafzimmer daraus...oder näht sich für die Wiege des eigenen Kindes einen Himmel aus dem Stoff...

Also mal Klartext. Ich habe keine Dachboden. Ich kann nicht nähen. Mein Kind schläft überhaupt nicht in einer Wiege, und einen Chiffon-Himmel hat es auch nicht über sich. Erinnerungen habe ich im Kopf. Schon zweimal musste das Brautkleid nun mit umziehen, immer mit Samthänden angefasst, aber nicht einmal aus seinem Schutzumhang herausgeholt. Wenn ich es mir ansehen will, schaue ich auf Fotos. Was also sollte dagegen sprechen, es zu verkaufen?

Ich hätte es wissen müssen. All' die sentimentalen Gründe sind nur vorgeschoben. Aber es gibt definitv Gründe, sein Brautkleid nicht zu verkaufen. Ganz pragmatische Gründe. Die potenziellen Käufer. Es gibt nichts schlimmeres, sage ich euch. Sich mit potenziellen Bräuten, Pseudo-Bräuten und echten Fetischisten abgeben zu müssen. Furchtbar. Furchtbar nervig.

Den ersten Versuch startete ich noch im Jahr der Hochzeit. Auf einer Brautkleid-Börsen-Seite im Netz. Gut. Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, dass man im Netz nicht seine Telefonnummer angibt. Und dass sich Typen mit speziellen Neigungen gerade solche Seiten suchen. Aber ich wollte das gute Stück doch verkaufen. Und ging erst einmal vom guten im Menschen aus.

Nunja. Es kam ein Anruf. Ein Typ, der für seine Freundin anrief. Jaja. Und die sei so abergläubisch, dass sie nur die komplette Ausstattung einer anderen glücklichen Braut tragen wolle. Also, verkaufen sie auch ihre dazugehörige Wäsche? Und was haben sie damals darunter getragen? Nach einem kurzen Moment der Fassunglosigkeit, einem weiteren Moment der bodenlosen Wut, verwies ich recht unhöflich darauf, dass meine Telefonnummer nicht mit einer 0190 beginne und meine berufliche Qualifikation liege, sorry, in einem anderen Gebiet. Also so ähnlich hat die Antwort geklungen. Vielleicht ein bisschen aggressiver im Wortlaut.

Gut. Zweiter Versuch ein wenig später. Gleiche Börse, ohne Telefonnummer. Dann die Anfragen. Das ist ja das Modell vom Vorjahr. Hast du nciht vielleicht auch das Modell von diesem Jahr? Entschuldigung. Auf die Geschäftsidee, jedes Jahr in einem aktuellen Kleid zu heiraten und es sofort wieder zu verkaufen, war ich noch nicht gekommen. Ich werde mal eine Kalkulation machen, inklusive Scheidungskosten, und dann werde ich es noch einmal überdenken.

Jetzt ein neuer Versuch. Eine Freundin war bei drei-zwei-eins-und-weg-is-es erfolgreich. Versuch' ich also auch. Allerdings scheine ich die Vorgehensweise einer Versteigerung nicht verstanden zu haben. Ich dachte immer, es gibt einen Preis, dann bietet man, und dann kann man überbieten. Also der Preis würde steigen. Stattdessen kriege ich Anfragen wie: Für die Hälfte kaufe ich es dir direkt ab. Super. Ich will aber nicht die Hälfte. Sonst hätte ich es dafür angeboten. Okay, nächste Anfrage: Kann ich es für das Einstiegsgebot direkt kaufen? Wir einigen uns die Versteigerung abzuwarten. Geboten hat sie nicht. Ich warte immer noch auf ein Lebenszeichen. Dazu kommt: Fotos der kopflosen Braut quer durch Deutschland mailen. Von vorne, von hinten, von oben. Nein, nicht von unten. Dazu Maß nehmen: wie groß war damals die Taille, Hüfte, Oberweite.

Ein gutes hat es gehabt. Mein Brautkleid durfte mal kurz wieder aus seinem Schutzumhang heraus. Wir haben immer noch keinen Dachboden. Ich will nicht nähen lernen. Warten wir also bis zum nächsten Umzug...

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Dirk Olbertz (Gast) - 19. Mär, 11:46

Oder auf eine Tochter :-)

breitnigge - 19. Mär, 12:36

Dann

wäre das Kleid ja schon bald antique... ;-)
RosasWelt - 19. Mär, 13:47

na solange soll es nun auch wieder nicht herumhängen...
Vielleicht hat ja der Sohn mal Verwendung dafür...wer weiß, so als Jungfrau in Kölle...oder um Fingerfarben auszuprobieren...
steckschuss - 26. Mär, 19:16

Krasse Gechichte!
Ich dachte, ich wäre weitestgehend aufgeklärt, aber Brautkleid-Fetischismus... chapeau!

Übrigens: nach altem Brauch, hab ich mal gehört, ist das Umfärben (und damit Umwidmen) des Brautkleides durchaus gesellschaftlich anerkannt :)

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