Eigentlich hatte ich gehofft, 10 Tage würden reichen, um die Bundesliga ohne mein Dabeisein auslaufen zu lassen und noch ein wenig Zeit zum Durchatmen vor der WM zu haben. Und um mich auf den Besuch von Figo bei mir Daheim vorbereiten zu können.

Jetzt sind die Bayern wieder Meister, es bleiben noch 27 Tage bis das Chaos los geht - und Figo ist schon da! Während ich noch unentschieden war, ob ich auf dem Venusberg campen oder Schaulaufen sollte, zieht der fast unbemerkt in meine eigene Wohnung ein.

Das Schlimme daran aber ist: Er kam nicht allein. Schlimmer noch, er brachte nicht nur die portugiesische Elf in Teilen mit sich, sondern auch die aus Japan, Trinidad und Tobago, Frankreich, Angola, Australien (große Freude), Tschechien und und und...

Den ersten Fußballer entdeckte ich auf dem Schreibtisch. Unscheinbar und klein (nein, es war nicht Figo und wehe ich höre weiterhin blöde Sprühe über kleine Männer. Für alle neidischen Arbeitskollegen: Figo ist 1,80 Meter). Irgendwie war der Typ auf meinem Schreibtisch platt in seiner Anmache. Okay, man sollte von Fußballern da nicht zu viel erwarten, aber irgendwie hatte ich sie mir doch anders vorgestellt als quadratisch, praktisch, gut. Und abzieh- sowie aufklebbar.

Kurz nach Denny Landzaat (immerhin noch im Arbeitszimmer) entdeckte ich Jose Antonio Reyes - in meinem Schlafzimmer. Das geht jetzt langsam zu weit. Im Bad hat sich schon Landon Donavan breit gemacht. Wahrscheinlich muss ich in den nächsten Tagen in meiner Küche Kevin Kuranyi ein Brot schmieren (ich habe aber gar keine Schoko-Creme).

In die Wohnung gelassen hat sie alle natürlich mein Mann. Retro nennt er, was ich als "das Kind im Manne" bezeichne: Panini-Heftchen. Die Doppelten stapeln sich überall - und ich darf Figo nicht haben, weil er ihn zum Tauschen braucht! Dabei darf ich mich nicht einmal beschweren, schließlich war ich dank Hornby eindeutig gewarnt: "Ich verliebte mich in Fußball, wie ich mich später in Frauen verliebte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an die Schmerzen oder Zerreißproben, die das mit sich bringen würde." Stellt sich mir nur die Frage: Warum lande ich immer bei Fußballern? Womit wir allerdings auch wieder bei Figo wären.

Aber meine Rache ist süß. Ich kaufe jetzt auch Panini-Bildchen. Und Thierry Henry behalte ich für mich ganz allein!

Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon. Augustinus Aurelius

Ich bin wieder aufgewacht, obwohl ich den schönen Traum doch noch ein bisschen festhalten wollte. Oder war ich wirklich weg?

10 Tage lang steht die Welt Kopf (und ja, ich habe genau hingeschaut, die Klospülungen laufen wirklich links herum) und dann steigt man aus einem Flugzeug/Zug/Auto aus und alles ist, als wäre die Zeit angehalten worden und jetzt läuft der Film an eben der Stelle, an der man ihn unterbrochen hat, weiter. Alles ganz einfach, nur schnell die Uhr wieder zurückdrehen auf MEZ. Say Goodbye.

Den Schritt habe ich dann doch noch nicht gewagt... noch ein bisschen Fernweh und Abschiedsschmerz sei mir gegönnt, meine Uhr geht acht Stunden vor. Schließlich hab' ich doch nicht umsonst den Ruf, traurige Filmenden zu lieben. Und außerdem möchte ich auch mal so einen schön melancholischen Filmblick drauf haben wie Julie Delpy (egal ob Sonnenauf- oder -untergang) - so kriegt man selbst im schlechtgelaunten Deutschland ein aufmunterndes Lächeln von netten Mit-Bahnfahrern geschenkt ;-) .

Und ich war doch da... Habe Dingos gesehen, die salzige Gischt des Pazifiks (Yeep! Trivial Pursuit kann kommen) auf der Haut trocknen lassen, blaue Flecken von Schaukel-Fahrten über Sandstraßen und Kratzer von versteinerten Muscheln mitgebracht. Ich habe den Sternenhimmel so hell wie sonst kaum wo gesehen (okay, ich höre den Einwand einer Frau: außer in Irland), habe Austern essen (und trinken) gelernt und jetzt hätte ich gern einen guten Schluck leckeren Merlot from Australia.

Die Lücke ist gefüllt, jetzt war ich definitiv auf allen Kontinenten einmal. Aber - einmal ist keinmal, oder?